Bildmaterial: ©2019, Constantin Film Verleih GmbH
2008 kam der Film „Kirschblüten – Hanami“ der renommierten deutschen Regisseurin Doris Dörrie („Der Fischer und seine Frau, 2005“, „Grüße aus Fukushima, 2016“) mit Elmar Wepper, Hannelore Elsner und Aya Irizuki in den Hauptrollen in die deutschen Kinos. Mehr als 10 Jahre später steht nun die Fortsetzung „Kirschblüten & Dämonen“ an. Wir konnten im Rahmen einer Vorstellung der Deutsch-Japanischen–Gesellschaft in Bayern den Film vor dem offiziellen Kinostart sehen.
Hanami – Kirschblüten
Falls ihr den Vorgänger noch nicht gesehen habt, folgt ein kurzer Abriss über den Plot. Aber Vorsicht: Spoiler! Trudi (Hannelore Elsner) und Rudi (Elmar Wepper) leben im Schongau in Bayern und pflegen ein relativ angespanntes Verhältnis zu ihren Kindern. Aufgrund einer Erkrankung stirbt Trudi und in ihren Hinterlassenschaften entdeckt ihr Mann, dass sie eine heimliche Liebe für Japan und den Ausdruckstanz „Butō“ hegte. Um mehr über seine verstorbene Frau zu erfahren, macht sich Rudi auf den Weg nach Japan, wo er im Inokashira Park in Tōkyō die junge Yu (Aya Irizuki) kennenlernt, die besagten Tanz dort regelmäßig aufführt. Es entwickelt sich eine ungleiche Freundschaft und die beiden unternehmen eine spirituelle Reise zum Fuße des Fuji. Dort versucht Rudi, die Vergangenheit zu verarbeiten und in deren Verlauf er schließlich ebenfalls stirbt.
„Hanami – Kirschblüten“ war ein vielschichtiges Werk, das Liebe und Aufopferung, Tod und Verlust sowie kauzige Eltern und vom Leben eingenommene Kinder vor der Kulisse eines Kulturschocks inszenierte. Es war vordergründig kein Film über Japan, sondern ein menschliches Drama, dem die Schicht einer fremden Kultur zusätzliche Tiefe verliehen hat. Japan hält sich bei „Hanami“ im Hintergrund und lässt den Protagonisten freie Bahn. Wohltuend unaufgeregt geht man mit Rudi auf die Reise und lernt über seine neue Bekanntschaft Yu interessante Facetten von Japan und Trudi kennen. Uns hat der Film auch dank seiner tollen SchauspielerInnen sehr gut gefallen, und falls ihr ihn noch nicht gesehen habt, wäre jetzt die perfekte Gelegenheit dazu dies nachzuholen.
Kirschblüten & Dämonen
Zehn Jahre in die Zukunft: Trudi und Rudi sind lange tot, der Protagonist des aktuellen Filmes ist ihr Sohn Karl (Golo Euler). Karl hat die letzten Jahre nicht unbeschadet überstanden: er trinkt, seine Familie hat ihn verlassen und die Geister der Vergangenheit lassen ihn nicht los. In diesem desolaten Zustand bekommt er Besuch von Yu (Aya Irizuki), die damals mit seinem Vater die letzten Tage verbracht hat. Yu möchte wissen, wie Rudi gelebt hat und sein Grab besuchen.
Zwischen den Beiden entwickelt sich eine zarte Liebesgeschichte, die der Ausgangspunkt für Karls Verarbeitung seiner
zerrütteten Familienverhältnisse ist. Seine Reise führt ihn bis nach Japan, wo er Vergangenheit und Zukunft zusammenzuführen muss und die Kämpfe, die in ihm toben, zu einem Ende bringen muss.
Dörries inszeniert „Kirschblüten & Dämonen“ als japanisch inspirierte Geistergeschichte, aber die Dämonen sind hier keine mystischen Fabelwesen, sondern die Ängste, die sich tief in die Seele der Protagonisten eingefressen haben. Wer sich vom farbenfrohen Intro täuschen lässt, könnte erwarten, es geht um Geisterwesen der japanischen Mythologie. Die Dämonen in Karls Umfeld sind jedoch ganz andere: Depressionen, Selbstmord, Familiendramen, die Frage nach Identität und gesellschaftlichen Erwartungen und nichts zuletzt die Dämonen der deutschen und japanischen Vergangenheit, die sich in aktuellen politischen Entwicklungen widerspiegeln.
Wie auch der Vorgänger ist „Kirschblüten & Dämonen“ kein „Japanfilm“. Wer beeindruckende Tempel oder im Winde segelnde Kirschblüten sucht, findet hier vornehmlich Panoramaaufnahmen der Alpen. Es geht um die Menschen, die vor einer Kulisse spielen. Diese Kulisse ist jedoch nicht leer oder leblos, sie ist gefüllt mit kulturellen Erwartungen, Vorahnungen, Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Sie ist deshalb nicht austauschbar: Dörries Dämonen und der Umgang mit ihnen ist genauso Deutsch, wie er Japanisch sein könnte, aber er ist keinesfalls beliebig.

©2019, Constantin Film Verleih GmbH
Insofern würden wir hier, wie auch für den Vorgänger, eine absolute Empfehlung aussprechen. „Kirschblüten & Dämonen“ lohnt sich. Er ist kein Popcorn-Kino, die Grundstimmung ist melancholisch bis deprimierend, aber wer sich für gut gespielte und interessante Charaktere begeistern kann und offen für Japan ist, macht hier nichts falsch.

Q&A mit Doris Dörrie
Im Anschluss an die Sondervorstellung der Deutsch-Japanischen-Gesellschaft in Bayern hatte das Publikum die Möglichkeit, Fragen an die Regisseurin Doris Dörrie zu stellen. Ein paar der sehr interessanten Themen möchten wir hier kurz aufgreifen.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Japan?
Dörrie war 1985 zum ersten Mal in zum Tokyo Filmfestival in Japan. Sie drehte seitdem fünf Filme die sich mit dem Land beschäftigen. Insgesamt war sie 33 mal im Land, kann diese Frage dennoch nur schwer beantworten. Mit jedem Film und Aufenthalt hat sie ein anderes Japan kennengelernt und der größte Unterschied in der Wahrnehmung ergab sich aus der Art zu reisen: beim ersten Mal etwa ganz alleine, danach mit ihrer kleinen Tochter. Zudem hat sie bei verschiedenen Filmen immer sehr verschiedene Orte und Menschen kennengelernt, bei „Kirschblüten & Dämonen“ etwa Chigasaki, wo sie mit Kiki Kirin zusammengearbeitet hat.
Was fasziniert Sie an Japan?
Dörrie erkannte ursprünglich eine seltsame Parallelität zwischen Deutschland und Japan. Scheinbar erkennt man vieles wieder (z.B. in der Architektur). Nach der Zerstörung nach dem Krieg und dem Wiederaufbau sehen viele Städte in Japan aus wie Hannover. Weitere Parallelen sind der großer Wirtschaftsaufschwung und plötzlicher Reichtum nach dem 2. Weltkrieg in beiden Ländern. Diese Parallelen machen den Umgang sehr vertraut, aber gleichzeitig auch sehr fremd.
Wie unterscheiden sich die Dämonen in Deutschland und Japan in Ihrer Wahrnehmung?
Mittlerweile kennt sie die japanischen Dämonen besser als die deutschen. Die im Film vorhandenen Strohdämonen aus Berchtesgaden kannte sie etwa gar nicht, wohl aber ihre japanischen Gegenstücke (Namahage). Sie hat sich zudem während der Dreharbeiten zu „Grüße aus Fukushima“ viel mit den japanischen Geisterwesen, Yōkai und Yūrei, beschäftigt. Ihr Wissen über japanische Geister ist also viel ausgeprägter als das über die deutschen Gegenstücke.

©2019, Constantin Film Verleih GmbH
Warum jetzt ein Nachfolger zu „Kirschblüten – Hanami“?
Die Inspiration kam durch den Film „Grüße aus Fukushima“, da sie während der Dreharbeiten viele Unterhaltungen über Geister geführt hat. Die Idee war: „Was ist, wenn die Eltern als Geister wiederkommen?“ Das Verständnis der „Geister“ wird einfacher, wenn man sprachlich etwas verändert, und stattdessen einfach „Erinnerungen“ sagt. Dies macht es nahbar, denn Menschen halten sich ständig in den Erinnerungen auf.
Wie hat es Yōko Kanno in den Film geschafft?
Yōko Kanno, einer der renommiertesten japanischen Komponisten für Anime-Soundtracks (z.B. Cowboy Bebop, Macross Frontier) komponierte den Titelsong des Filmes, der schon im Vorgänger genutzt wurde. Es gab jedoch keine Zusammenarbeit mit ihr, Aya Irizuki (Yu) hatte bei ihrem Casting den Song dabei und Dörrie wollte ihn unbedingt haben, weshalb er schlussendlich einfach lizenziert wurde.
Ist „Kirschblüten & Dämonen“ ein politischer Film?
In den Film eingebaut ist eine klarer Verweiß auf die Alternative für Deutschland. Dörries stellt die Frage, wer unsere deutschen Dämonen eigentlich sind? Für sie werfen die Dämonen der Vergangenheit, das Dritte Reich und der Nationalsozialismus, einen Schatten auch auf mittlerweile sehr weit davon entfernte Generationen. Man wisse gar nicht mehr, woher des Gefühl der Beklemmung kommt, kann die Dämonen nicht mehr benennen. Oft käme dies durch Tabus innerhalb der Familien zu Stande, in denen dieses Kapitel der eigenen Geschichte nie zur Sprache gebracht wurde. Dörries lehnt das Narrativ eines Landes voller Opfer ab, in dem „keiner wirklich dabei gewesen“ ist. Diesem Dämon gilt es ins Gesicht zu schauen, denn auch heute geschehen wieder dunkle Dinge, die sich aus dem Irrationalen speisen. Bei denen man immer wieder ganz genau hinschauen müsse, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Man darf nicht zu lange warten, müsse genau hinschauen.

Filmtitel: Kirschblüten & Dämonen
Kinostart: 07. März 2019
Länge: 110 Minuten
Darsteller: Golo Euler, Aya Irizuki, Felix Eitner, Floriane Daniel, Birgit Minichmayr,
Sophie Rogall, Elmar Wepper, Hannelore Elsner, Kiki Kirin u. a.
Regie und Drehbuch: Doris Dörrie
Links: DJG Bayern / Facebook
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